Universität Bielefeld - Sonderforschungsbereich 343

Thema und Arbeitsweise

Sonderforschungsbereiche (SFBs) werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) auf Antrag einer Hochschule für einen begrenzten Zeitraum eingerichtet, die Arbeit eines SFB wird alle drei Jahre begutachtet. Die Finanzierung erfolgt durch die DFG; die jeweilige Hochschule stellt die Grundausstattung (z.B. Räume) zur Verfügung.

Der SFB 343 "Diskrete Strukturen in der Mathematik" wurde 1989 eingerichtet. Es gibt drei Projektbereiche:

mit insgesamt 13 Teilprojekten, an denen (im Rahmen der Grundausstattung) 40 Wissenschaftler der Universität Bielefeld beteiligt sind. Der SFB verfügt derzeit über 20 zusätzliche Mitarbeiterstellen und über weitere Mittel, um Gäste für einen kürzeren Zeitraum einzuladen. Ziel ist jeweils die wissenschaftliche Zusammenarbeit im Rahmen der Teilprojekte; von besonderer Bedeutung ist dabei die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Diskrete Strukturen spielen in der Mathematik und ihren Anwendungen eine zentrale Rolle. Die grundsätzliche Tendenz menschlichen Denkens, komplexe Sachverhalte durch Begriffe zu strukturieren, zeigt sich in der Mathematik in der fortschreitenden Axiomatisierung, Formalisierung und Algebraisierung.

Diskrete und kontinuierliche Methoden befinden sich in der Mathematik in einem lebendigen Wechselspiel: Die Entwicklung der homologischen Methoden in der algebraischen Topologie diente dazu, topologische, also deformierbare Objekte mit Hilfe algebraischer Strukturen zu beschreiben. Differentialgleichungen lassen sich approximativ lösen, indem man den Konfigurationsraum diskretisiert. Umgekehrt werden kombinatorische Probleme durch Übergang zur großen Zahl analytisch zugänglich. Diese Dialektik spiegelt sich auch auf einer anderen Ebene wider. Unser sprachliches, lineares Denken drängt zur Algebraisierung. Andererseits ermöglichen es gerade die modernen, schnellen, auf Diskretisierung beruhenden Rechensysteme, geometrische Objekte nicht nur durch Graphiken, Bilder und Prozeßabläufe zu veranschaulichen, sondern auch interaktiv zu manipulieren.

Vielen mathematischen Objekten lassen sich diskrete Invarianten zuordnen, die wichtige Eigenschaften beschreiben oder gar die betrachteten Objekte klassifizieren. Kombinatorische Strukturen treten selbst dort auf, wo mit kontinuierlichen Invarianten gearbeitet werden muß. Schon in der Mathematik des 19. Jahrhunderts wurden endliche Strukturen thematisiert, selbst beim Studium kontinuierlicher Phänomene. Zum Beispiel führt das Studium von Kurven und Flächen auf endliche Punkt- und Geradenkonfigurationen, die eine Fülle von geometrischen und daraus abgeleiteten abstrakt-kombinatorischen Beziehungen aufweisen. Genauso wird der Aufbau von Lie-Gruppen und Lie-Algebren mit Hilfe von Wurzelsystemen, also kombinatorisch klassifizierbaren Objekten, einsichtig gemacht oder werden Gleichungen fünften Grades aufs Engste mit der kombinatorischen Struktur des Ikosaeders und seiner Symmetriegruppe verknüpft. Allgemeiner können hier einerseits die abzählende Geometrie, andererseits die klassische Invariantentheorie genannt werden. In der Physik, der Schwesterwissenschaft der Mathematik, wird der Übergang von kontinuierlichen Strukturen in diskrete mit einem wohlklingenden Namen belegt: In der Quantisierung geht man über von den klassischen, kontinuierlichen Differentialgleichungen zu Operatoralgebren. In dieser Algebrenstrukur findet man nicht nur die Physik wieder. Die von den Physikern in der Quantenfeldtheorie gefundene algebraische Struktur der Supersymmetrie führte in den letzten Jahren zu aufregenden mathematischen Entdeckungen.

Bekanntlich dient der Rechner nicht nur als experimentelles Hilfsmittel zur Weiterentwicklung der abstrakten mathematischen Theorie. Gerade die leistungsstarken Rechner ermöglichen erst die extensive Verwendung von Mathematik in anderen Wissenschaften, der Technik und Wirtschaft. Hier werden berechenbare, d. h. diskrete oder zumindest approximierbare Strukturen benötigt. Aus Anwendungen ergeben sich oft mathematische Fragen, zu deren Lösung neuartige mathematische Theorien gefunden werden müssen.

Der Sonderforschungsbereich verfolgt daher ein wissenschaftliches Konzept, das verschiedene mathematische Disziplinen einbezieht, um durch deren Zusammenwirken die Untersuchung diskreter Strukturen in der Mathematik sowohl in Hinblick auf deren Rolle in der Mathematik selbst als auch in Hinblick auf anwendungsbezogene Theorien diskreter Strukturen voranzutreiben. Er fördert vor allem Bereiche der Mathematik, für die simpliziale, kombinatorische, stochastische, geometrische und algebraische Strukturen und Methoden oder ihre Anwendungen wesentlich sind.


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